Du erinnerst dich vielleicht, dass ich mir vorgenommen habe, mich nicht mehr an der falschen Stelle zurückzunehmen und mich nicht mehr selbst für meine Zweifel oder Ratlosigkeit zu verurteilen. Auf diesem Weg bin ich jetzt schon mehrere Schritte voran gekommen. Am Anfang gab es diese zwei Auseinandersetzungen, in denen ich mich mundtot fühlte (ohne zu merken, dass ich das gar nicht war). Ich habe versucht etwas zu sagen und kam mir dabei schwach und verzagt vor und hatte das Gefühl nur Unsinn geredet zu haben, was ich mir wiederum übel nahm.
Seit dem hat das freundliche Schicksal, welches immer auf der Seite der Entwicklung steht, mir etliche Gelegenheiten vor die Füße geworfen, um zu üben. Zum Beispiel die folgende. Ich habe so einen kurzen Text zum Thema Bewusstsein auf Facebook gepostet und darin auch auf meine Bücher hingewiesen. Jemand hat darauf geantwortet: "Vielen Dank für die Hinweise. Jetzt weiß ich, dass ich dein Buch nicht lesen werde. Ich bin lieber bewusst, statt darüber in Büchern theoretisch zu lesen." Im ersten Moment wusste ich nicht, was ich dazu sagen oder darauf antworten wollte. Ich wollte es schon ignorieren, aber plötzlich fiel es mir wieder ein: Ich will doch nicht mehr schweigend ignorieren. Ich will doch jetzt etwas sagen.
Und auf einmal wusste ich auch genau, was ich sagen wollte (Fortschritt!). Ich fragte den Leser, ob er sich denn auch bewusst sei, dass sein Beitrag einen kleinen Seitenhieb gegen mich beinhalte und ob er sich auch bewusst sei, warum es ihm wichtig war, mir dies so zu schreiben.
Es ist ja schon irgendwie eine 'spezielle' Botschaft, jemand zu sagen, dass man sein Buch nicht lesen werde. Wir gehen ja auch nicht zum Bäcker, um ihm mitzuteilen, dass wir heute kein Brot kaufen werden. Der Mann hat inzwischen geantwortet und darin auch geschrieben, dass er mich nicht verletzen wollte. Das fand ich super. Darin liegt ja auch gerade das Problem mit der Unbewusstheit. Sie bringt es mit sich, dass wir gelegentlich Menschen verletzen, ohne es zu bemerken oder auch nur zu wollen.
Eine zweite Gelegenheit ergab sich bei einer Veranstaltung. Ich saß dort mit einer Gruppe von Menschen an einem Tisch. Die meisten kannte ich, aber direkt neben mir saß ein mir unbekannter Mann. Er machte durch sein ganzes Verhalten, Mienenspiel und Gehabe deutlich, dass er nicht im Geringsten an einem Gespräch mit mir interessiert sei. Das kenne ich schon. Seit ich über sechzig bin, erlebe ich das öfter. Es gibt viele Menschen, die wollen nicht mit älteren Menschen reden. Sie halten uns alle für uninteressant, unwichtig und vielleicht auch halb senil und können sich überhaupt nicht vorstellen, dass wir ihnen interessante Weisheiten zu bieten haben.
Früher hätte ich mich einfach in die andere Richtung gewendet und mir gedacht: Wenn er nicht will, muss er ja nicht. Aber jetzt habe ich darin eine schöne Gelegenheit gesehen, meine neue innere Haltung zu trainieren. Ich habe mir selbst gesagt: Das lasse ich dem nicht durchgehen. Wir alten Menschen verkörpern das Wissen und die Weisheit dieses Landes. Wir haben erlebt, was die jüngeren noch nicht wissen können, haben wertvolle Erfahrungen und Erinnerungen, die auch dann gebraucht werden, wenn die Jüngeren sich darüber nicht im Klaren sind. Ha!
Und dann habe ich den Mann einfach in ein Gespräch verwickelt. Etwas, das ich früher niemals getan hätte.
In dem Film Independance Day hält der Präsident eine Rede und er sagt darin: "Wir werden nicht schweigend in der Nacht untergehen".
Cooler Spruch, oder? Nur weil wir älteren Menschen älter sind, müssen wir doch nicht schweigend zurücktreten und dem Ego der Jüngeren Platz machen, damit sie alle unsere Fehler wiederholen und dabei dieser Welt noch weiter Schaden zufügen.
Aber ich muss halt auch ein Bisschen in den Widerstand gehen und nicht nur schweigend abwarten, wer von sich aus zu mir kommt. Sonst wird mein Beitrag überhört werden.
Eine weitere Gelegenheit entstand durch das Seminar, welches ich am Wochenende in Hamburg besucht habe. Es war ein sehr interessantes Seminar mit vielen tollen und besonderen Teilnehmern. Ich habe viel Inspiration daraus gezogen. Es war aber auch megaanstrengend. Wir wurden um Feedback gebeten. Ich fand, dass ich etwas schreiben sollte, aber was? Was war mir selbst so wichtig, dass ich einen inneren Impuls verspüre, daraus einen Beitrag zu machen? Zuerst war ich ganz ratlos, aber Stück für Stück setzte sich etwas in mir zusammen und auf einmal war es ganz einfach und ganz klar. Ich habe eine Message verfasst, darin meine große Wertschätzung ausgedrückt für die Organisatoren und das Seminar und auf die Möglichkeit hingewiesen, durch eine andere Didaktik das Ganze sogar noch mehr zu optimieren.
Das war der Raum, in dem wir das Seminar in Hamburg hatten im Hotel Vier Jahreszeiten. Ein sehr nobles Hotel.
Ich weiß, es ist bescheuert, das zu posten, aber nun ja, warum denn nicht, goldene Wasserhähne in der Toilette im Vier Jahreszeiten.
Mir wurde dort die Möglichkeit eröffnet, an einem eigenen Tisch für mein Buch über Persönlichkeitswachstum zu werben. (Hat übrigens nichts gebracht)
Wir alle haben unsere Fähigkeiten und Talente mitbekommen. Keiner wurde dabei vergessen. Jeder hat seine angeborenen Qualitäten, die er in diesem Leben entwickeln und ausbauen kann, um etwas zu erreichen und seine Lebensqualität zu erhöhen. Es ist egal, worum es sich bei diesem Fähigkeiten handelt. Der eine ist ein super Tischler, der andere Dirigent eines Symphonieorchesters, die eine ist eine wundervolle Krankenschwester voller Optimismus und Menschenliebe und die andere eine starke Anwältin. Wir können entwickeln, was wir in uns vorfinden und unser Leben damit aufbauen.
Das habe ich auch immer gemacht. Jetzt aber bin ich 61 Jahre alt und beginne zu begreifen, dass dies noch eine weitere Dimension hat. Wir haben unsere Fähigkeiten nämlich nicht nur für uns selbst. Es geht nicht nur um unser eigenes Leben. Wenn wir für uns selbst gesorgt und unsere Qualitäten immer weiter entwickelt haben, wenn unser eigenes Leben auf festen Füßen steht, dann ist es Zeit, mithilfe der eigenen Fähigkeiten Verantwortung für die Menschen um uns herum zu übernehmen. Nun, da ich alt bin, ist es Zeit meinen Wissens- und Erfahrungsschatz auch für andere Menschen einzusetzen. Damit meine ich hier aber nicht nur mich. Das gilt für alle älteren Menschen. Das ist die Aufgabe des Alters. Wer hat sich denn bloß ausgedacht, dass wir uns alle tatenlos hinhocken und senil werden sollen?
Ich dachte, es geht nur um mich, um die Entwicklung eines kleinen inneren Schrittes zu mehr Freiheit und Selbstbewusstsein, aber es geht um meine Verantwortung für die mir in die Wiege gelegten Qualitäten. Wenn ich immer schweige, mich nicht einbringe, sondern abwarte, wer von selbst zu mir kommt, dann handle ich nicht verantwortungsvoll genug.
Okay, das soll nun aber auch nicht heißen, dass man sich anderen aufdrängen muss. Das kann ich wirklich nicht besonders gut. Aber ich kann ein freundliches Angebot machen. Und genau das habe ich dann getan. Ich habe freundlich angeboten, meine didaktischen Fähigkeiten und mein Wissen zu teilen.
Sobald mir dieses Licht aufgegangen war, wusste ich auch, was ich schreiben wollte. Inzwischen habe ich schon eine Antwort bekommen. Offenbar ist mein Angebot dort willkommen. Erinnerst du dich? Am Anfang wusste ich nie, was ich sagen WOLLTE. Jetzt findet sich ein schöner Wille in mir ein. Es fühlt sich gut an, obwohl es mich herausfordert.
Heute Nacht hatte ich einen kurzen Traum. Ich war in einem Gebäude und hatte dort etwas zu tun. Bei mir war ein kleiner Drache, nur etwa fünfzehn Zentimeter groß, ein süßes kleines Haustierchen. Aber ich entdeckte in einem anderen Raum einen weiteren Drachen, der genauso aussah nur zwei Meter groß war. Ich erschreckte mich furchtbar, weil ich fürchtete, der Drache würde mich fressen wollen. Deshalb sperrte ich ihn in dem Raum ein. Ich hatte wirklich Angst und traute mich kaum, zu diesem Raum zurückzukehren. Trotzdem kam ich noch mal wieder, um nach dem Drachen zu sehen.
Ich denke, der kleine Drache steht für meine frühere Vorstellung davon, dass ich hier eine Kleinigkeit lernen kann. Und der große, beängstigende Drache steht für die eigentliche Aufgabe, die mir schon auch Angst einjagt. Aber jeder, der auch nur ein klein wenig von schamanischer Traumdeutung versteht, hat natürlich sofort gewusst, dass der Drache auch für meine eigene Kraft steht. Die großen und gefährlichen Tiere, von denen wir mitunter im Traum gejagt und verfolgt werden, stehen fast immer für unsere eigenen Kräfte, vor denen wir uns noch fürchten.
Als ich nach dem Seminar in Hamburg nach Hause kam, erwartete mich dort ein Problem:
Diese Katze auf meinem Sofa ist zwar süß, aber das ist nicht meine Selina. Selina war verschwunden. Ich glaube allerdings, dass das gar nicht auf die Kappe des obigen Tierchens geht, sondern auf Minka.
Der schwarze Kater hier auf dem Bild, der angeblich Minka heißen soll, hat meine Selina schon mehrfach angegriffen. Daher vermute ich, dass Chubaka, den ich da auf meinem Sofa fand, sich bei mir eigentlich nur vor Minka verstecken wollte. Was wirklich passiert ist, werde ich wohl nie herausfinden. Ich machte mich auf die Suche nach meiner Katze und fand sie verletzt im Wald. Das mit dem Wald ist nicht weiter verwunderlich. Ich wohne hier ja quasi im Wald. Hier mal ein Bild von meiner Terrasse aus aufgenommen.
Selina humpelte ganz jämmerlich auf drei Beinen und klagte bei jedem Schritt. Tragen durfte ich sie aber auch nicht. Das kann sie nicht leiden. Also begleitete ich sie langsam, bis zur Haustür und ermutigte sie dabei die ganze Zeit. Aber eines war mir in dem Moment klar: Jetzt ist die Zeit des Nachdenkens und Überlegens vorbei. Morgen kaufe ich eine Chip Katzenklappe. Selina war wirklich verstört. Schließlich saßen wir beide wieder zusammen in unserem Fernsehnest, aber sie war nicht besonders entspannt. Ich finde, das kann man auf dem Bild sogar sehen, oder?
Sie wirkt angespannt, selbst im Schlaf. Für sie war das ganze echt schlimm, wie ich allmählich merke. Am anderen Tag habe ich ihr bei Fressnapf für 100 Euro die luxuriöse Chip Katzenklappe gekauft. Leider sind die Dinger so teuer. Außerdem habe ich organisiert, dass Nadine uns beide zum Tierarzt fährt, wo Lienchen ihren Chip eingesetzt bekam und eine Antibiotika Spritze, weil sie ja gebissen worden war. (Knapp 40 Euro) Und ich organisierte ebenfalls, dass ein Handwerker noch am selben Abend kam und die neue Klappe auch einsetzte. Das nachdem ich gerade erst in Hamburg auf dem Seminar war und ich bin pleite, pleite, pleite.
Das ist das gute Stück. Anfangs hat Selina ziemliche Probleme mit dieser neuen Klappe gehabt. Sie hatte sich nämlich angewöhnt, ihre Katzenklappe mit der Pfote aufzumachen. Darauf reagiert diese Klappe aber nicht. Der Chip sitzt in ihrem Nacken und darum muss sie die Klappe mit dem Köpfchen aufstoßen. Inzwischen ist schon eine ganze Woche vergangen und sie hat immer noch Probleme damit, aber immerhin, sie benutzt diese Klappe allmählich. Das Pfötchen ist schon wieder geheilt, das Seelchen aber noch nicht. Sie schleicht immer noch verängstigt durch die Wohnung und lässt mich morgens vorgehen, damit ich ihr sage, ob die Luft rein ist. Es wird wohl noch ein Weilchen dauern, bis ihr klar geworden ist, dass von nun an nur noch sie durch diese Klappe gehen kann.
Übrigens, manche Leute glauben, dass jede gechipte Katze durch diese Klappe kommen könnte. Das stimmt so nicht. Die Klappe wird auf diesen einen Chip programmiert. Aber erklär das mal Selina.